Ich komme wieder. Ich komme wieder um zu helfen. Ich komme wieder um etwas zu bewirken, auch wenn es nur ein kleiner Teil ist. Aber vor allem komme ich wieder, weil ich den flüchtenden Menschen das Gefühl geben will, dass ich für sie da bin.
Ich darf relativ früh Lida kennenlernen. Sie spricht Farsi und ich treffe sie das erste Mal am Europaplatz – Hier ist ihre Geschichte:
Lida, ihr Mann und ihr kleiner Sohn sind seit Monaten zu Fuß unterwegs, als sie in Ungarn am Bahnhof ankommen. Der Junge hat seit ein paar Tagen einen großflächigen Ausschlag und um im letzten Moment noch eine Creme zu bekommen läuft der Vater noch einmal los, um eine Apotheke zu suchen, während Lida mit ihrem Kleinen in den wartenden Zug steigt. Nach kurzer Zeit kommt ihr Mann zurück, doch genau in dem Moment, in dem er auf den Bahnsteig kommt schließen sich die Türen. Er rennt dem Zug nach, doch er hat keine Chance. Das Letzte was er sieht ist die weinende Lida am Fenster – ihr Kind fest an sich gedrückt.
Lida kommt am Westbahnhof an und durch Zufall läuft sie direkt in meine Arme, wo sie zusammenbricht. Sie wird von einem Weinkrampf nach dem anderen geschüttelt und erst mit einem Dolmetscher verstehe ich was los ist und kann sie etwas beruhigen.
Ich nehme sie mit und gebe ihr einige Sachen für sie und das Kind. Dann organisiere ich ihnen eine Unterkunft für die kommende Nacht und verspreche ihr, dass ich ihren Mann finden werde. Ich weiß, dass ich ihn finden werde.
Die nächsten Stunden verbringe ich damit mit dem Foto auf meinem Handy durch den Bahnhof zu laufen. Ich zeige es jedem, frage nach, ob ihn jemand gesehen hat. Kein Erfolg. Ich lasse ihn ein paar Mal ausrufen, gehe durch die vollbesetzten Sonderzüge, die die Flüchtlinge weiter Richtung Deutschland bringen sollen und frage mit einer Dolmetscherin jeden Menschen der mir begegnet. Die Dolmetscher schreiben sich den Namen auf ihre Arme damit jeder ihn sehen kann. Nach Stunden endlich ein Lichtblick – Lidas Mann wurde in Ungarn in einem Camp gesehen! Wir stellen den Kontakt her und können es nicht glauben – wir finden ihn. Er ist mittlerweile in Berlin in einem Notfallquartier. Sofort rufe ich Lida an und erzähle ihr, dass wir ihren Mann gefunden haben. Sie hört nicht auf zu weinen. Ich weine mit. Ich besorge ihr ein Zugticket mit dem sie über Hannover und Würzburg nach Berlin fährt. Der Tag ihrer Reise vergeht langsam, ich hoffe dass sie unterwegs keine Probleme bekommen hat. Am Abend dann endlich Erleichterung. Ein Dolmetscher gibt mir Bescheid, dass sie sich bei ihm gemeldet hat. Sie lässt mir ausrichten, dass ihr Mann vor Freude am liebsten kommen würde, um sich persönlich bei mir zu bedanken und noch einmal, wie dankbar sie mir ist.
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