Die Jungs verlassen mich heute wieder und reisen weiter Richtung Küste. Ich schließe mich also einer neuen Gruppe an – der deutschen Gruppe. Ein Fehler wie sich später herausstellen wird. Ein Pärchen und Katja nehmen mich in ihre Obhut und gemeinsam mit ihnen mache ich mich auf den Weg in die Tiefen der Souks. Heute habe ich mir ein Hijab geschnappt, meine Haare hochgebunden und natürlich gekonnt das Tuch um den Kopf geschlungen. Ich fühle mich hier einfach viel wohler damit und ein Vorteil ist außerdem, dass ich nicht auf 100 Meter als Touristin erkannt werde.
Auch die Deutsche (deren Namen ich leider nicht mehr weiß) „tarnt“ sich mit einem Schal den sie um den Kopf schlingt und einer riesigen Sonnenbrille, was allerdings eher doppelt auffällt, als komplett ohne, aber ich verkneif mir meinen Kommentar und lasse sie in dem Glauben, dass ihr Tuch gut gebunden ist und die Brille nicht aussieht, als wäre sie eine Geheimagentin.
Wir betreten den Souk und schon beim ersten Geschäft bleibt das Pärchen stehen um zu verhandeln. Es dauert ganze 15 Minuten bis wir endlich weitergehen. Keine 20 Meter später haben sie das nächste Souvenir gefunden und beginnen zu verhandeln. Langsam werde ich ungeduldig und frag mich, ob es wirklich eine gute Idee war mit ihnen zu gehen. Ein paar Minuten später findet Katja etwas, das ihr gefällt und beginnt auf ein Neues zu verhandeln. Ich wäre am liebsten einfach durch das Labyrinth gelaufen und hätte pausenlos fotografiert. Ich führe sie zum Mittagessen wieder zum Essensmarkt, wo wir ein paar kleine Tische direkt in der Gasse finden. Begeistert will ich mich setzen, aber der Restaurant-Besitzer will uns auf die „wunderschöne“ Dachterrasse führen – er hört, dass wir Deutsch sprechen und antwortet sofort in gebrochenem Deutsch. Ich weigere mich die Treppen hochzusteigen und jammere so lange, bis ich die anderen dazu gebracht habe, mit mir an den kleinen Tischen in der Gasse Platz zu nehmen. Ich will keine Touristin sein, die eine Sonderbehandlung bekommt – ich will EINTAUCHEN in die Kultur, das tägliche Leben miterleben und jedes Detail und jede Streiterei mitbekommen, die sich neben mir auf der Straße abspielt.
Dank mir sehen wir wie ein viel zu großes Auto plötzlich beginnt rückwärts die Gasse hinunterzurollen, weil der Fahrer kurz nicht aufgepasst hat. Innerhalb von Sekunden rennen 8 Männer herbei und stoppen das Auto. Sie schieben es mit all ihrer Kraft wieder die Gasse hinauf und laden es neben unserem Tisch ab. Die andren runzeln die Stirn – mir gefällts!
Nach diesem eher anstrengenden Vormittag hab ich genug. Ich schicke sie in das Museum und vereinbare mit ihnen einen Treffpunkt. Ich brauch endlich eine „Deutsch-Pause“.
Die ersten paar Meter bin ich noch unsicher. Ich will mich nicht verlaufen und ich weiß nicht, wie die Menschen auf mich reagieren werden. Ich gehe die ersten Schritte durch den Souk und es dreht sich das Verhalten der Menschen um mich herum um 180°. Jetzt werde ich auf einmal auf Arabisch, oder Französisch angesprochen und dieses Mal geht es eher weniger um die Waren, die sie verkaufen wollen. Ich gehe mit erhobenem Kopf durch die Medina und genieße es, endlich nicht mehr als Geldquelle gesehen zu werden. Ich bekomme einige Komplimente und trotzdem fühle ich mich sicher. Viele Touristen laufen an mir vorbei und ich komme sogar dazu Fotos zu machen. Jetzt wo ich alleine bin, scheint es niemanden mehr zu interessieren, dass ich Fotos von den Lampen und Gewürzen mache und dann einfach weitergehe.
Man schenkt mir Lächeln und ein nettes As-salāmu ʿalaykum. Ich kann nicht anders als lächelnd herumzulaufen, bis ich mich wieder mit meiner Gruppe treffe. Es hat mir regelrecht den Tag gerettet.
Es ist kurz nach Mittag und wir fahren noch zur letzten Station des Tages – zum Jardin Majorelle, ein botanischer Garten im neueren Teil der Stadt. Er ist wunderschön, aber leider auch sehr voll. Man findet hier alle Farben und Pflanzen, die aus jedem Foto ein kleines Kunstwerk machen. Wir verbringen viel Zeit dort und ich finde es gar nicht so schlecht, dass ich nach etwa 10 Minuten die Gruppe wieder verloren habe und so die restliche Zeit alleine durch den Garten spazieren kann.
Als wir uns alle wiederfinden, beschließen wir zurück zum Hostel zu fahren, um den Abend auf der Dachterrasse ausklingen zu lassen.
Müde und erschöpft müssen wir noch mit den wartenden Taxifahrern verhandeln, die wieder einmal viel zu viel für eine kurze Fahrt verlangen. Für letztendlich 50 Dh fahren wir dann zurück und holen uns vor dem Hostel noch für 10 Dh Streetfood. Kleine und extrem ölige Teigtaschen gefüllt mit Gewürzen, Glasnudeln und Gemüse. Sie sind dampfend heiß und schmecken köstlich.
Auch einen kleinen Kuchen gönne ich mir noch und dann begebe ich mich aufs Dach. Ich bin vollkommen in meinem Element. Ich sehe, dass unsere Dachterrasse nicht gerade die höchste ist und da in Marrakesch die Häuser miteinander verbunden sind, kletter ich von einem Dach auf das nächste, um so zu einem der höchsten Dachterrasse zu gelangen. Ich stehe auf einem Rohbau und blicke in einen Innenhof voll mit Schutt, aber die Aussicht über die Stadt ist fantastisch. Kurz sitze ich mit einigen andren auf dem Dach bevor es ihnen zu langweilig wird und sie zurück auf die Couch des Hosteldachs gehen. Ich aber setze mich an die Kante, lasse ein Bein baumeln und genieße den Klang des Gebetsrufs von allen Seiten, gemeinsam mit einem der schönsten Sonnenuntergänge, die ich je gesehen habe.